Happy Meal

Dienstagnachmittag auf dem Fischmarkt von Larache: Wir teilen uns einen Teller mit gegrillten Sprotten. In der Luft liegt der Geruch nach rotem Gold. Auf dem Markt tummeln sich die Kauffreudigen. Ich betrachte den toten Fisch. Er glubscht beinahe hämisch zurück. Du spiesst ihn mit der Gabel auf, und schmatzt genüsslich. Du Weltentdecker, du Alleskönner, du Liebhaber, du.

Die Reise nach Marokko habe ich dir zum Geburtstag geschenkt. Ich wusste: Entweder wir trennen uns, oder wir verreisen. Es war keine Flucht, und doch waren wir beide froh darum.

Und jetzt? Ich würde jetzt gerne im Meer schwimmen. Mir von den Fischen die Füsse küssen lassen. Ich Unverschämte, ich Lebensfrohe, ich Verlogene, ich.Aber gut. Man muss eben Kompromisse eingehen.

Mit der Gabel stochere ich im toten Fisch herum. Stosse auf Skelette, und breche sie gekonnt. «Schmeckt es dir nicht?» Ich blicke auf. Und dann schnell wieder auf den Teller zurück. Aus Angst, du könntest es sonst sehen, in meinen Augen. All das, eben.

Ich zucke mit den Achseln. «Ich habe keinen Hunger.» Den Grund verrate ich dir nicht, und du fragst auch nicht danach. So wie auch du mir nicht verrätst, warum Marokko. Warum Marokko seit jeher dein Begehren weckt. Marokko damals. Marokko dazwischen. Marokko jetzt - Wartest du etwa immer noch darauf, dass die Vergangenheit ihre Hand nach dir ausstreckt, und dir die Augen verschleiert?Ich frage nicht danach. Manche Rätsel bleiben besser ungelöst. Sonst ist da nix Zukunft. Nix anzuglubschen.

Wenn wir uns jetzt nicht für das Jetzt entscheiden, dann gibt es kein Danach mehr. Plötzlich gerät mein Stuhl ins Wanken. Ich muss mich festhalten. Brauche dringend Halt. Ich suche verzweifelt den Blickkontakt. Und die Sprotten, die Sprotten gucken einfach weg.

Publiziert im Oktober 2024 im Jungen Literaturlabor (JULL) in Zürich, sowie am BuchBasel Literaturfestival 2024 in Basel. Lesung am Zürich Liest Festival im Oktober 2024 in Zürich.