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Valser Texte

  • Autorenbild: Lara Alina Hofer
    Lara Alina Hofer
  • 22. Aug.
  • 2 Min. Lesezeit

Der Radius des Schlenderns


Löwenzahn spriesst aus dem Boden

und mündet in vergessen geglaubten Erinnerungen.


Junge Hasen fressen ihn auf,

und hoppeln der Zeit davon.


Männer mähen ihre Rasen.

Frauen tragen ihre Taschen wie Laster um den Hals.


Holzwürmer fressen sich gnadenlos durch das zu Erhaltende.


Im Boden drohen Löcher in die Tiefe zu stürzen.

16 Spalten entlarven ein Plätschern und lassen erahnen,

was die Unterwelt treibt.


Stadtkinder werden zu Dorfkindern,

und die Dorfkinder werden es immer bleiben,

auch wenn man es ihnen längst nicht mehr ansieht.


Wind schmerzt in den Ohren,

und treibt die Menschen in die Kaffeestuben.


An den Wänden hängen Füsse, und an den Füssen

drücken die Wanderschuhe.


Servierbretter aus Holz warten auf einen Brand.


An den Fenstern zirren Insekten.

Fliegen grüssen sich,

durch doppelt verglaste Fensterscheiben voneinander getrennt.


Draussen bewachen tote Vögel die Sonnenblumenwiesen.

Schützen sie vor dem Lebendigen, das hier ganz prinzipiell

eine Gefahr darstellt.


Vögel leugnen den Herbst.

Die Natur mag den Menschen nicht gehorchen.


Aus dem Radio erklingt Musik aus einer weit entfernten Welt,

in der sich die Menschen noch selbst entdecken, selbst

verwirklichen. Was ein Theater.


Wie gross sind die Träume hier? Und wie greifbar?


Mir scheint die Bergspitze unendlich weit entfernt.

Doch könnte ich klettern, dann. Dann wäre ich, dann würde ich -

ganz bestimmt.


Verlorene Träume lauern den Menschen auf.


Die stehen mit Gewehren bereit, und räumen sie beiseit.


Der Bauer freut sich über den Jäger, und der Jäger freut sich über

das tote Tier. Verstummtes Geheule, na endlich, kehrt hier etwas

Ruhe ein!


Zwei tote Hirsche. Ein totes Reh. Die Bilder der Beute zeigt man

sich stolz im Kreis. Stammtischprogrammierte Komplimente:

Je grösser, desto besser.


Im Garten hinter dem Haus fürchtet sich der Küchentiger.


In der Sonne glitzern die Scherben in die Gesichter der Esel.


Eine Minigolfanlage aus Stein steht ganz allein.


Die Gartenzäune aus Holz klappern im Takt mit dem Rad der

Wassermühle, wenn man sie im Vorbeigehen sanft mit der Hand

berührt.


Übrig bleiben die Menschen, und ihre Augen, die viele Fragen

stellen, bevor sie den Blick erschrocken senken.


Die «Valser Texte» bestehen aus sechs Kurztexten, darunter «Der Radius des Schlenderns». Eine Auflage von 20 Exemplaren wurde im August 2025 publiziert und am Kleinkunstfestival in Vals (GR) verkauft. Die «Valser Texte» können auf Anfrage per Mail an hofer.lara@sunrise.ch erworben werden. Lesungen fanden statt am 16. und 17. August 2025 am Kleinkunstfestival in Vals.


 
 
 

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